Allgemeine Zeitung:

Geduld der Südstädter ist erschöpft

Gutachten zum Gestank aus der Hochheimer Kläranlage seit Monaten verschleppt

Vom 10.07.2004

HOCHHEIM Gegen den Gestank aus der benachbarten Kläranlage kämpfen seit vier Jahren Bewohner der Südstadt, doch passiert ist bisher wenig. Das Gutachten sollte bis Ende Februar 2004 vorliegen. Eigentlich.

Von unserem Redaktionsmitglied Gerd Oeser

Kommunalpolitiker und Verwaltung leugneten anfangs schlichtweg das Problem, das zwei Jahre später auf einmal nicht mehr zu "überriechen" war. Im März 2001 beschlossen Bauträger des Neubaugebietes und die Kommune, ein Geruchsgutachten in Auftrag zu geben. Doch erst im September 2001 wurde schließlich das Institut "WAR" der Technischen Universität Darmstadt damit beauftragt.
Demnach sollten unabhängige Probanden zu unregelmäßigen Zeiten das Wohngebiet aufsuchen und die Geruchssituation beurteilen. Ferner sollte gutachterlich zu den genauen Quellen der Geruchsemissionen und zur Wirksamkeit des in Deutschland einzigartigen "Geruchsschutzwalles" Stellung genommen werden.

Dieses Unikat, in der Planung sieben Meter hoch und ein geschlossener Wall, sollte Gerüche der Kläranlage von dem Wohngebiet abschirmen. Tatsächlich ist der Damm aber nur ganze vier Meter hoch und von einer Straße durchbrochen.

"Dann begann das Nerven zehrende Warten auf die Ergebnisse des Gutachtens. Gespräche zur Lösung der Geruchsproblematik wurden mit dem Hinweis abgelehnt, die Untersuchung müsse jetzt bald fertig sein", stellte der Vorsitzend einer Interessengemeinschaft der geschädigten Hausbesitzer, Jürgen Schnorr, rückblickend fest. Im Oktober 2002 sickerte auf erneute Nachfrage der Südstadtbewohner durch , dass die Messungen noch gar nicht begonnen hatten. Der Gutachter hatte nämlich zusätzliche Unterlagen angefordert, deren Weiterleitung die Stadt Hochheim aber nicht zustimmen wollte. Erst ein im März 2003 vom zuständigen Landgericht Wiesbaden anberaumter Erörterungstermin brachte das Verfahren wieder in Schwung.

Am 13. November 2003, mehr als zwei Jahre nach der Beauftragung, präsentierte die Gutachterin dann den Prozessbeteiligten endlich die Messwerte der Probanden: die Geruchsbelastung im Wohngebiet betrug bis zu 62 Prozent der Jahresstunden! Gesetzlich erlaubt sind bis zu zehn Prozent der Jahresstunden; den Anwohnern wurden im Bebauungsplan sogar nur Werte von maximal sechs Prozent versprochen.

Das eigentliche Gutachten sollte schriftlich bis Ende Februar 2004 vorliegen, so legte es das Gericht fest. "Seitdem sind schon wieder mehr als vier Monate vergangen", und das Gutachten liege immer noch nicht vor, moniert Schnorr. An der Kompetenz der Gutachterin könne es nicht liegen, veranstaltet sie doch unermüdlich Seminare und Workshops im In- und Ausland zum Thema Geruchsemissionen, will er in Erfahrung gebracht haben. "Nur das Hochheimer Gutachten wird anscheinend erst nach Lust und Laune fertiggestellt", erbost sich der Neubürger.

Für die Betroffenen dränge sich der Eindruck auf, dass weder die Stadt oder der Bauträger, noch das Gericht an einer schnellen Lösung des Problems interessiert sind und gegenüber der Gutachterin nachdrücklich die Fertigstellung der Untersuchung fordern. Dies scheine verständlich, weil die Problemlösung Geld kostet, was von keiner Seite aus freien Stücken bereitgestellt werde. Schnorr in einer Erklärung: " So wird das Problem auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben und der offiziell festgestellte gesetzwidrige Zustand tatenlos zu Lasten der betroffenen Anwohner hingenommen."
Den Betroffenen stinkt es gewaltig ob dieser offenkundigen Verschleppungstaktik: "Die Verantwortlichen aus Politik, Verwaltung und Justiz müssen sich bei einem solchen Konglomerat aus Kompetenzwirrwarr, Behäbigkeit, Nachlässigkeit und bewusster Verzögerung aber nicht wundern, wenn es bei den Bürgern zu einer zunehmenden Politik- und Staatsverdrossenheit kommt."